Workshop
Biokybernetik und Teilhabe
Transformationsprozesse zwischen Mensch und Technik
Konstanz, 25.-27.02.2016
Technologien des Digitalen schreiben sich auf besondere Weise in diejenige der Biomedizin ein, (Massumi 2010), operieren sie doch von Beginn an mit dem Versprechen, einen neuen post- oder transhumanen Menschentypus, einen Cyborg zu kreieren (Haraway 1995a, 1995b; Coenen 2014). In ihrem Versuch, im Rahmen dieser zunehmenden Technologisierung des Bios, einen dritten Weg zwischen biologischem Mechanismus und philosophischem Vitalismus zu erarbeiten und die Auflösung der Grenzen zu markieren, bezeichnet Donna Haraway den Cyborg konsequenterweise als hybride Mensch-Maschine, mithin ein Wesen, das auf besondere Weise an der Technik des Digitalen teil hat bzw. jene affiziert. Während Georges Canguilhem in seinem Aufsatz zu „Maschinen und Organismen“ aus dem Jahr 1947 die Technik als eine „Art Erweiterung des Lebens, der Vitalität, der Lebenskraft“ (Canguilhem 1992) verankert, die sich erst im Zuge verschiedener Transformationen vom Körper gelöst habe, entwickelt Jean-Luc Nancy die Vorstellung einer Ökotechnie, im Rahmen derer die (Annahme einer) Trennung zwischen Körper und Technik aufgegeben werden muss (Nancy 2000, vgl. Hörl 2011). Als kultur- und wissensgeschichtlich interessante Entwicklungen ist dabei auch die Stellung von Körperprothesen an der Schnittstelle Mensch-Technik zu diskutieren, eignen sie sich doch in besonderer Weise dazu, die gleichzeitigen und wechselseitigen Prozesse von Technologisierung des Bios und Biologisierung (bzw. Anthropomorphisierung) der Technik zu studieren. Die in solchen Forschungsansätzen thematisierten Verschaltungen zwischen unterschiedlichen Akteuren sind dabei grundlegend partizipatorisch bzw. als Teilhabe zu denken, wie z.B. Marie-Louise Angerer dies an ausgewählten künstlerischen Praktiken oder Michaela Ott an filmischen Material aufzeigen konnten (Ott 2010, Angerer 2007). Für die im Workshop interessierenden wechselseitigen Affizierungsprozesse zwischen Mensch und Technik erweist sich auch die aktuelle Entwicklung von Neuroprothesen im Rahmen einer zunehmenden Digitalisierung und Miniaturisierung von Technik am und im Körper sehr spannend, weil hier Anpassungsprozesse – im Vergleich zum vorkybernetischen Zeitalter – auf neue Weise transformiert werden. So eröffnet z.B. die erfolgreichste Neuroprothese Cochlea-Implantat (CI), ihre medizintechnische Genese sowie die mit ihr verbundenen sozialen Praktiken die Möglichkeit, die zunehmende Vernetzung biotechnischer, kybernetischer und sozialer Akteure zu analysieren und zu beschreiben (Ochsner/Stock 2014). Diese Überlegungen führen nun gerade nicht zu einer Rekapitulation der medizinökonomischen Erfolgsgeschichte der Prothese, vielmehr schreiben sie sich in rezente, medienökologische Untersuchungen zur Relation von Körper bzw. Bios und (Medien-)Technik ein (Hennion 2013; Harrasser 2013, 2009; Schmidgen 2013). Anstatt von einer reinen Rezeptions- oder Transferfunktion auszugehen, werden (Neuro-)Prothesen dabei vielmehr als bio-kybernetische Operatoren begriffen, die Handlungen (ver-)binden, soziale Vergemeinschaftungsprozesse inaugurieren und unterschiedliche Akteure wie Menschen, (Anthropo-)Techniken, Medien und Biofakte rekonfigurieren, während sie gleichzeitig im jeweiligen Handlungsfeld hergestellt werden (Harrasser 2013, 2009; Ochsner 2013; Karafyllis 2003). Als technosensuelle oder -mediale Interfaces (Galloway 2012) vernetzen sich diese Operatoren zunehmend und machen in der kurzschließenden Verschaltung von affektiven und affizierenden Körpern mit neuro- oder nanobiologischen Evidenzen Teilhabe als bestimmungsoffenen, transindividuellen Prozess kenntlich, in dem – so wird im Workshop zu zeigen sein – stets neue Herausforderungen und Entwicklungen, aber auch Zumutungen eine kontinuierliche Rekonfiguration der komplexen sozio-technischen Handlungsfelder notwendig machen.
Mit einer Keynote von Karin Harrasser, Universität Linz.
Mit Vorträgen von:
Marie-Luise Angerer, Universität Potsdam
Christoph Asmuth, TU Berlin
Cornelius Borck, IMGWF Lübeck
Christoph Brunner, ZHdK Zürich
Christopher Coenen, KIT Karlsruhe
Martin Dornberg, RKK Freiburg
Daniel Fetzner, Hochschule Offenburg
Nicole C. Karafyllis, Universität Braunschweig
Michaela Ott, Hochschule für Bildende Künste, Hamburg
Erhard Schüttpelz, Universität Siegen
Heiko Stoff, Medizinische Hochschule Hannover
Organisiert von Beate Ochsner (TP 2), Sybilla Nikolow (BMBF-Verbundprojekt Anthropofakte) und Robert Stock.
Das Programm findet sich in kürze hier.
Anfragen bitte an robert.stock[at]uni-konstanz.de.