Jahrestagung der Forschungsgruppe FOR 2252 „Mediale Teilhabe. Partizipation zwischen Anspruch und Inanspruchnahme“
Mit Keynotes von
Marcus Burkhardt (Siegen)
Wolfgang Ernst (Berlin)
Brigitta Kuster (Berlin)
Die Jahrestagung wird mediale Teilhabe vor dem Hintergrund eines grundlegenden Wandels medienkultureller Produktion in konkreten historischen, machtpolitischen, infrastrukturellen und transkulturellen Dimensionen verankern und innerhalb heterogener medialer Assemblagen ausdifferenzieren. Mediale Teilhabe, so die leitende Annahme unseres Gesamtprojektes, ist gerade nicht als vorauszusetzendes, zu empfehlendes oder abzulehnendes, u.U. an bestimmte zu erbringende Leistungen oder Empfehlungen geknüpftes Angebot an gleichermaßen vorauszusetzende Subjekte und/oder Kollektive zu verstehen. Aus medienkulturwissenschaftlicher Perspektive muss eine Theorie medialer Teilhabe vielmehr Technologien der Verschaltung und ihre Operationalisierung sowie Prozesse der Verfertigung spezifischer Temporalisierungen und teilhabender Kritik in komplexen soziotechnischen Machtgefügen in den Blick nehmen Leitend ist dabei die Überzeugung, dass Teilhabe in spezifischen medialen Assemblagen in Bezug auf ihre Subjektivierungs- und Kollektivierungsmöglichkeiten wie auch -anforderungen auszubuchstabieren ist, was stets die Problematisierung eines klassischen binären Zugangs- und Inklusionsbegriffs beinhaltet. Darüber hinaus müssen die medialen Teilhabekonfigurationen in ihren den Prozessen selbst eingeschriebenen Ansprüchen und Inanspruchnahmen untersucht werden, die in ihrer (ökonomischen) Überbietung wie auch kritischen Überwindung zu analysieren sind. Die Vortragenden diskutieren ihre Forschungen basierend auf einem grundlegend prozessual gedachten Begriff von Medialität, die als Voraussetzung die relationalen Vermittlungsgefüge und soziotechnischen Konfigurationen von Teilhabe ermöglicht oder aber verhindert.
Mit der Modalität des relationalen ‚Verschaltens‘ oder ‚Verschaltet-Werdens‘ wird danach gefragt, auf welche Art und Weise menschliche und nicht-menschliche Akteur*innen in spezifischen soziotechnischen Anordnungen und Situationen infrastrukturell in Beziehung verschaltet bzw. füreinander disponibel (Lipp 2018; Hui 2012; Simondon 2012) gemacht werden, um potenziell – sprachlich wie auch über andere Mittel – adressierbar (Ochsner 2018a; Fuchs 1997) bzw. verschaltbar zu werden. So wird das Augenmerk darauf gelenkt, dass mediale Teilhabe nicht allein von menschlichen, intentional handelnden Subjekten, Kollektiven oder Institutionen abhängig ist, sondern durch je spezifische mediale Konstellationen, Umwelten und Handlungszusammenhänge erst hervorgebracht und operationalisiert wird (Hörl 2018).
Gegen binäre Denkregime werden damit Prozesse wechselseitiger Verfertigung und ein partiales, situiertes Denken in Anschlag gebracht, die die Komplexität der Versammlungen unterschiedlicher Akteur*innen nicht einebnen, sondern in ihrer Relationalität und Pluralität hervorheben (Haraway 1996). Auf diese Weise sollen jene Dynamiken in ihren je spezifischen medialen, sozialen und historischen Kontexten aufgesucht und im Hinblick auf richtungsweisende bzw. die Relationen zurichtende Politiken untersucht werden (Ochsner 2018b; Hörl 2017; Bippus/Ochsner/Otto 2016). Machtfragen sind mithin auf Basis einer grundlegenden Arbeit am Begriff der Relation bzw. auf Basis algorithmischer Verschaltungen zu untersuchen, die nicht nur in Beziehung setzen, sondern Beziehungen vielmehr herstellen, produktiv machen, materialisieren, akkumulieren, operationalisieren, abschöpfen und ausbeuten. Dabei spielt es z.B. eine entscheidende Rolle, in welchen konkreten Kontexten und auf welche Arten und Weisen Menschen mit technischen Objekten (z.B. Kreditformen, Kommunikations-Apps, Audio Games, Companion-Apps, Streaming-Tools, Medienaktivismus) und spezifischen Praktiken verschaltet und auf diese Weise für die entsprechenden Technologien auch vor dem Hintergrund vielfältiger ökonomischer Ansprüche und Inanspruchnahmen adressierbar und operationalisierbar gemacht werden.
Teilhabe wird häufig in Aussicht gestellt und ist somit mit einer utopischen Zeitlichkeit des Versprechens verknüpft. Diese utopische Konfiguration der Zeitlichkeit von Teilhabe wird unter dem Begriff „Temporalisieren“ ergänzt, indem immanent konstituierende und konstitutive Temporalitäten medialer Teilhabe in den Blick genommen werden. Diese gestalten sich je nach Untersuchungsgegenstand unterschiedlich. Die Sektion „Temporalisieren“ der Jahrestagung fragt nach den Verflechtungen, Störungen Differenzierungen und Auffächerung von menschlichen und technischen Eigenzeiten (Novotny 2017; Ernst 2012a, 2012b).
Angesichts gegenwärtiger Streamingkulturen wird ersichtlich, wie sich der Begriff der medialen Teilhabe hinsichtlich der spezifischen Zeitlichkeiten vervielfältigt. Teilhabe an gestreamter Musik oder Film als Effekt stellt sich als medialer Prozesse dar, in dem User*innen temporär und relational zu Streaming-Plattformen sowie deren Infrastrukturen (z.B. Bewertungssysteme) hergestellt werden. Diese Prozesse zeitigen neue Synchronisationsanforderungen, die die relational herzustellenden Gemeinschaften und Kollektive versammeln. So gerät die Frage nach Abstimmungsprozessen zwischen User*innen, Technologien und Praktiken als immer wieder herzustellende Aufgabe in den Vordergrund der Untersuchungen.
Mediale Teilhabe als unabgeschlossener Prozess wird ebenso über die Untersuchung von Dynamiken der Resistenz in der Teilhabe an digitalen und mobilen Gemeinschaften greifbar, in denen sich Machtkonstellationen und Positionierungen nur temporär stabilisieren können. Zum Beispiel etablieren Technologien des ‚Quantified Selfs‘, ‚Habit Tracking’ Apps, und ‚Digital Detox‘ Angebote Zeitregime (Agger 2011), die mit Versprechen und Zumutungen der Teilhabe einhergehen und resistente Praktiken (Gorea/Hand 2018) herausfordern. Die Analyse dieser Prozesse und ihrer Verschränkung mit Praktiken, die aus anderen medialen Kontexten, z.B. Second Screen oder Transmedia Angeboten, hervorgehen erlauben es, Begrifflichkeiten und Facetten von Temporalisierung wie Wiederholung, Antizipation, Nachträglichkeit, Aufschub, Verschiebung, Serialisierung und temporäre Verfestigung produktiv nutzbar zu machen.
Die Modalität des Widersprechens, die in der ersten Förderphase forschungsleitend war, wird auch in der Fortsetzung konsequent relational weitergedacht. Basierend auf Ergebnissen aus der ersten Förderphase aber wird nun die Möglichkeit geprüft, mediale Teilhabe in einer mehr-als-humanen Form fruchtbar zu machen (TP 5). Teilhabende Kritik soll entlang ihrer sinnlichen, technologischen und politischen Bedingungen untersucht werden, um die Ausdrucksmodalitäten einer solchen Kritik beschreibbar zu machen. Hierdurch werden gleichermaßen materielle, relationale und konstituierende Aspekte in den Fokus gerückt. Praktiken teilhabender Kritik werden als jene konstituierenden Bedingungen befragt, welche die Einteilungen, Grenzziehungen und Rahmungen von Systemen – etwa der Kunst, Soziokultur oder Politik – immanent prägen, differenzieren und herausfordern.
Die Untersuchung problematisiert und beleuchtet die Qualitäten und Möglichkeiten von Kritik als teilhabende im Horizont posthumaner Auffassungen künstlerisch-medialer und aktivistischer Widerstandspraktiken. Vor dem Hintergrund zeitgenössischer Diskussionen um den Kritikbegriff – von Foucault (1992) über Butler (2018) bis zu Latour und Haraway (2016) – geht es um eine Neupositionierung des Kritikbegriffs unter dem Aspekt medialer Teilhabe. In diesem Zug wird über den praxeologischen Zugriff hinausgegangen, um eine affektiv-sinnliche Ebene (Rancière 2008) als grundlegende Komponente einer nicht-anthropomorphen Praxis teilhabender Kritik zu berücksichtigen. Durch den Einbezug technopolitischer Aspekte im ästhetisch-politischen Aktivismus werden insbesondere infrastrukturelle, mediale und institutionelle Bedingungen teilhabender Kritik in den Blick genommen, um Möglichkeiten mikropraktisch-teilhabenden Kritisierens auszuloten, die die Herausbildung eines neuen hegemonialen Diskurses durch die Pluralisierung kultureller Muster und Handlungsräume unterbrechen (TP 5). Mit Blick auf „andere Wissenspraktiken“ in aktivistischen, künstlerischen, munizipalistischen sowie kollektiven Kontexten (Colectivo Situaciones 2003) werden insbesondere die nicht-sprachlichen, media-sinnlichen Dimensionen teilhabender Kritik als Kernelement neuer Formen medialer Teilhabe erkundet. Die Rolle dekolonialer und postkolonialer Perspektivierungen (Cusicanqui 2019) spielen hierbei ebenso eine zentrale Rolle, wie der Einbezug feministischer und queerer Ansätze.
Agger, Ben (2011): „iTime: Labor and life in a smartphone era“, in: Time and Society 20 (1), 119-136.
Bippus, Elke/Ochsner, Beate/Otto, Isabell (2016): „Between Demand and Entitlement: Perspectives on Researching Media and Participation“, in: Denecke, Mathias u.a. (Hg.), ReClaiming Participation. Technology, Mediation, Collectivity. Bielefeld: transcript, 261-286.
Butler, Judith (2018): Anmerkungen zu einer performativen Theorie der Versammlung. Berlin: Suhrkamp.
Colectivo Situaciones (2003): „On the Research-Militant“, in: transversal. Zugriff unter: http://eipcp.net/transversal/0406/colectivosituaciones/en.html
Cusicanqui, Silvia (2019): Ch'ixinakax utxiwa. Eine Reflexion über Praktiken und Diskurse der Dekolonisierung. Münster: Unrast.
Ernst, Wolfgang (2012a): Gleichursprünglichkeit. Zeitweisen und Zeitgegebenheiten technischer Medien, Berlin: Kadmos.
Ernst, Wolfgang (2012b): Chronopoetik. Zeitweisen und Zeitgaben technischer Medien, Berlin: Kadmos.
Foucault, Michel (1992): Was ist Kritik? Berlin: Merve.
Fuchs, Peter (1997): „Adressabilität als Grundbegriff der soziologischen Systemtheorie“, in: Soziale Systeme 3 (1), 57–79.
Gorea Michelle/Hand, Marin (2018): „Digitial Traces and personal analytics: iTime, Self-Trackung, and the Temporalities of Practice, in: International Journal of Communication (12), 666-682.
Haraway, Donna (1996): „Situiertes Wissen : die Wissenschaftsfrage im Feminismus und das Privileg einer partialen Perspektive“, in: Scheich, Elvira (Hg.), Vermittelte Weiblichkeit. Hamburg: Hamburger Ed., 217-248.
Haraway, Donna (2016): Staying with the Trouble. Making Kin in the Chthulucene. Durham: Duke University Press.
Hörl, Erich (2017): „Introduction to general ecology. The ecologization of thinking“, in: Ders. (Hg.) mit James Burton, General ecology. The new ecological paradigm. London: Bloomsbury, 1-73.
Hörl, Erich (2018): „Die environmentalitäre Situation. Überlegungen zum Umweltlich-Werden von Denken, Macht und Kapital“, in: Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie (4, Ökonomie/Ökologie, hrsg. von Dieter Mersch und Michael Mayer), 221-250.
Hui, Yuk (2012): „What is a Digital Object?“, in: Metaphilosophy (43), 380-395.
Lipp, Benjamin (2017): „Analytik des Interfacing. Zur Materialität technologischer Verschaltung in prototypischen Milieus robotisierter Pflege“, in: BEHEMOTH. A Journal on Civilisation 10 (1), 107-129.
Nowotny, Helga (2017): An Orderly Mess, Budapest/New York: CEU Press.
Ochsner, Beate (2018a): „AudioVisual Accessibility (Ava) oder: Zur Herstellung prekärer Kommunikationsgemeinschaften“, in: Johannes Bennke, Johanna Seifert, Martin Siegler, Christina Terberl (Hg.): Das Mitsein der Medien. Prekäre Koexistenzen von Menschen, Maschinen und Algorithmen. Paderborn: Fink, S. 121-147.
Ochsner, Beate (2018b): „Oikos und Oikonomia oder: Selbstsorge-Apps als Technologien der Haushaltung“, in: Michael Mayer, Dieter Mersch (Hg.), Jahrbuch für Medienphilosophie 4, S. 123-147.
Rancière, Jacques (2008): „Die Politiken der Kunst und ihre Paradoxien“, in: ders.: Die Aufteilung des Sinnlichen. Berlin: b_books.
Simondon, Gilbert (2012): Die Existenzweise technischer Objekte. Zürich: Diaphanes.
Für den Programmflyer als pdf hier klicken.
Programm
19:30 Uhr
Get together
Abendessen im Rambagh Palace, Brückengasse 1, 78462 Konstanz
09:00 Uhr
Begrüßung
Verschalten
09:30 Uhr
Keynote I
Marcus Burkhardt (Siegen)
Human-Machine-Implications: Diagramme maschinellen Lernens
Moderation: Milan Stürmer (Lüneburg)
10:15 Uhr
Worksession zur Keynote I
Moderation: Erich Hörl (Lüneburg)
11:00 Uhr
Kaffeepause
11:30 Uhr
Arbeitsstand und Lektürediskussion „Verschalten“
Impuls: Erich Hörl und Milan Stürmer (Lüneburg)
Text 1: Hansen (2015)
12:15 Uhr
Arbeitsstand und Lektürediskussion „Verschalten“
Impuls: Beate Ochsner und Markus Spöhrer (Konstanz)
Text 2: Simondon (2012)
13:00 Uhr
Mittagssnack
Temporalisieren
14:30 Uhr
Keynote II
Wolfgang Ernst (Berlin)
Technologisch gewährte (und verwehrte) Teilhabe am Zeitgeschehen. 'Temporalisieren' zwischen phänomenologischer und medienarchäologischer Sicht
Moderation: Urs Stäheli (Hamburg)
15:15 Uhr
Worksession zur Keynote II
Moderation: Matthias Drusell (Hamburg)
16:00 Uhr
Kaffeepause
16:15 Uhr
Arbeitsstand und Lektürediskussion „Temporalisieren“
Impuls: Anne Ganzert (Konstanz)
Text 3: Derrida (1993)
17:00 Uhr
Arbeitsstand und Lektürediskussion „Temporalisieren“
Impuls: Mathias Denecke (Hamburg)
Text 4: Hansen (2009) und Govind (2014)
19:30 Uhr
Gemeinsames Abendessen: il Boccone, Bodanstraße 20 - 26 D-78462 Konstanz
Teilhabende Kritik
10:00 Uhr
Keynote III
Brigitta Kuster (Berlin)
Für ein sorgetragendes Kino
Moderation: Christoph Brunner (Lüneburg/Montreal)
10:45 Uhr
Worksession zur Keynote III
Moderation: Ruth Lang (Zürich)
11:30 Uhr
Kaffeepause
11:45 Uhr
Arbeitsstand und Lektürediskussion Teilhabende Kritik
Impuls: Elke Bippus (TP5)
Text 5: Sedgwick (2014)
12:30 Uhr
Abschlussdiskussion
13:00 Uhr
Mittagsnack
anschließend Abreise
Derrida, Jacques (1993): Falschgeld. Zeit geben I. München: Fink, 9-48.
Govind, Nirval (2014): "Optimizing the Netflix Streaming Experience with Data Science." Netflix Technology Blog, https://medium.com/netflix-techblog/optimizing-the-netflix-streaming-experience-with-data-science-725f04c3e834; (18.10.2019).
Hansen, Mark B. N. (2009): „Living Technical Time“, in: Theory, Culture and Society 26 (2-3), 294-315.
Hansen, Mark B. (2015): Feed-Forward: On the Future of Twenty-First-Century Media. Chicago, London: University of Chicago Press, 37-67, 138-175.
Sedgwick, Eve Kosofsky (2014 [1997]): Paranoides Lesen und reparatives Lesen oder paranoid, wie Sie sind, glauben Sie wahrscheinlich, dieser Essay handle von Ihnen. In: Baier, A./Binswanger, C./Häberlein, J./Nay, Yv E./Zimmermann, A. (Hrsg.): Affekt und Geschlecht. Eine einführende Anthologie. Wien: Zaglossus, S. 355-399.
Simondon, Gilbert (2012): Die Existenzweise technischer Objekte. Zürich: Diaphanes, 9-75.
Keynotes
Human-Machine-Implications: Diagramme maschinellen Lernens
Im Juni 2017 hat Google CEO Sundar Pichai einen Paradigmenwechsel in der Geschichte digitaler Medientechnologien verkündet: Zentral seien nicht mehr die Paradigmen des „Digitalen“ oder des „Mobilen“, sondern jenes der „Künstlichen Intelligenz“, welches auf den jüngsten Entwicklungen im Bereich des maschinellen Lernens gründet. Als grundlegendes Versprechen von Machine Learning-Anwendungen erscheint dabei deren Fähigkeit, sich an ungeplante und nicht explizit programmierte Situationen anpassen zu können: das Erkennen von Objekten oder Personen, ohne diese vorab schon ‚gesehen‘ oder ‚trainiert‘ zu haben, selbstfahrende Autos, die sicher durch unbekannte Situationen manövrieren können, oder Chatbots, die in der Lage sind anregende Konversationen mit Menschen zu führen. Im Rahmen des Vortrags wird danach gefragt wie die Adaptivität lernender Maschinen „in the wild“ realweltlicher Anwendungen realisiert wird. Rekonstruiert werden dabei verschiedene Diagramme des maschinellen Lernens, die menschliche Akteur*innen je unterschiedlich implizieren, vereinnahmen, einkalkulieren, verschalten, beanspruchen und ansprechen.Kurzbiographie
Marcus Burkhardt ist Postdoktorand am Lehrstuhl für Digitale Medientechnologien und Methoden an der Universität Siegen. Zuvor war er unter anderem an der Technischen Universität München, der Leuphana Universität Lüneburg und der Justus-Liebig-Universität Gießen tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind Geschichte und Theorie digitaler Medien insbesondere der Logi(sti)ken digitaler Datenbanktechnologien, Big Data und Algorithmen. Zudem ist er Mitverleger des Open Access-Buchverlags meson press.
Zu seinen Publikationen gehören „Vorüberlegungen zu einer Kritik der Algorithmen an der Grenze von Wissen und Nichtwissen“. Jahrbuch Technikphilosophie (2017) sowie Digitale Datenbanken: Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data(2015).
TECHNOLOGISCH GEWÄHRTE (UND VERWEHRTE) TEILHABE AM ZEITGESCHEHEN. "Temporalisieren" zwischen Phänomenologie und Medienarchäologie
Scheinbar adaptieren menschliche Individuen und Kollektive mühelos die neuen Formen virtualisierter Kommunikation. Diese "medialen Teilhabekonfigurationen" konkretisieren sich in ihren technischen Zeitlichkeiten, vom Time-Sharing, in Streaming-Kontexten, bis hin zu den chrono-taktischen (und -taktilen) Praktiken vernetzten Mobilkommunikationsgeräts. Buchstäblich unter der Hand aber werden die technologisch verschalteten Teilnehmenden, gekoppelt an solches Gerät, deren Techno- und Chronologik unterworfen. Das Kontrollregime (Foucault / Deleuze) ist damit auf die Zeitachse verschoben.Der techno- statt anthropozentrische Zeitsinn verlangt nach einer radikal medienarchäologischen Thematisierung seiner Eigenzeitlichkeit. In technischen Medien entfaltet sich eine Welt der kleinsten Wahrnehmungen, der petites perceptions (Leibniz), die allerdings nicht mehr für Menschensinne gilt, sondern vielmehr im physikalischen oder mathematischen Unbewußten der Maschinen erfolgt, etwa in der Synchronisation von Datenübertragung im Mikrosekundenbereich.
Und so verschwindet das in den Sand am Meeresstrand gezeichnete Gesicht des Menschen allmählich in den sich brechenden Wellen, um Foucaults Metapher zu bemühen - wobei der Sand nun das Silizium der Mikrochips ist, und die Wellen die elektromagnetischen Impulse der Wireless LANs und die (Algo-)Rhythmen von Mobilkommunikation und Hochfrequenzhandel.
Kurzbiographie
Wolfgang Ernst ist seit 2003 Ordentlicher Professor für Medientheorien an der Humboldt Universität zu Berlin. Er war nach seiner Promotion zunächst Forschungsstipendiat am Deutschen Historischen Institut in Rom, dann am Forschungsschwerpunkt Literatur in Berlin, und von 1995-1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter für "Theorie und Archäologie der Medien im Kunstkontext" an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Es folgten Gastprofessuren im Fach Medien an der Bauhaus-Universität Weimar, an der Ruhr-Universität Bochum, sowie an der Universität Paderborn. Aktuelle Forschungsschwerpunkte: Radikale Medienarchäologie als Methode techniknaher Medienanalyse; Speichertheorie; kulturelle Übertragungstechniken; Ästhetik und Theorie der zeitbasierten und -kritischen, besonders der sonischen Medien Deutschsprachige Monographien u. a.: Das Gesetz des Gedächtnisses. Medien und Archive am Ende (des 20. Jahrhunderts), Berlin 2007; ferner die komplementären Bände: Chronopoetik. Zeitweisen und Zeitgaben technischer Medien; Gleichursprünglichkeit. Zeitwesen und Zeitgegebenheit technischer Medien (Berlin 2012); Signale aus der Vergangenheit. Eine kleine Geschichtskritik (München 2013); Im Medium erklingt die Zeit. Technologische Tempor(e)alitäten und das Sonische als ihre privilegierte Erkenntnisform (Berlin 2015)
Für ein sorgetragendes Kino
Das Kino wurde vielfach als Ort beschrieben, an dem man* sich selber durch die Augen eine*r anderen sehen kann. Es ist auch der Ort, an dem man ganz bei sich ist und doch den befremdlichsten und furchterregendsten Dingen ausgesetzt sein kann. Der Vortrag will diese Teilungen im Sinne einer Diskussion um care zu revidieren versuchen und dabei die Vision eines Kinos verhandeln, das nicht didaktisch oder aufklärerisch ist, und sicherlich auch nicht kathartisch. Kein Kino, das zerstreut. Sondern eines, das nützlich ist im Sinne des alltäglichen Sorgetragens, aber keinesfalls utilitaristisch. Es soll ein Kino sein, dem es eher darum geht, gemacht zu werden als darum, gesehen zu werden. Eher als Medium wird es Remedium sein.Kurzbiographie
Brigitta Kuster beschäftigt sich mit bild- und filmwissenschaftlichen Studien, Post- und Antikolonialismus sowie mit Grenzforschung. Ihre Arbeiten im Kunstfeld sind oft kollaborativ entstanden, in verschiedenen Konstellationen interdisziplinär und sozialkritisch orientierter Kulturproduzent*innen. Derzeit arbeitet sie als Juniorprofessorin für kulturwissenschaftlichen Filmforschung mit Schwerpunkt Gender an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre jüngsten Buchveröffentlichungen sind Grenze filmen. Eine kulturwissenschaftliche Analyse audiovisueller Produktionen an den Grenzen Europas (2018) und Choix d'un passé - transnationale Vergegenwärtigungen kolonialer Hinterlassenschaften (2016).
Teilnahme ist kostenlos. Auf Grund beschränkter Platzanzahl bitten wir um Registrierung vorab unter robert (.) stock (ät) uni (-) konstanz (.) de
Tagungsort:
Hotel 47 Grad Reichenaustraße 17, 78467 Konstanz
Unterkunft für Teilnehmer*innen:
Hotel Graf Zeppelin St. Stephansplatz 15, 78462 Konstanz