Albtraum Partizipation
Mittwoch, 11. Dezember 2013 | 17:00 Uhr | Hörsaal A 703
Partizipation ist ein Zauberwort unserer Epoche. Von der partizipativen Kunstaustellung über die Piratenpartei bis zur Ägyptischen Facebook-Revolution – das “Jeder-Kann-Mitmachen Prinzip” ist eines der populärsten Dogmen unserer Zeit. Alles ist angeblich besser wenn alle mitsprechen. Partizipation ist ein Heilsversprechen geworden. In Wahrheit wird nicht alles besser, je mehr Stimmen beteiligt sind. Stellen Sie sich das partizipative Utopia vor wie ein Auto, das auf eine Mauer zufährt und vorne streiten sich zwei, die nie Fahren gelernt haben, über die richtige Abstimmungsform. Und Verantwortungsträger haben mittlerweile gelernt, das Modewort zu nutzen, um ihre Verantwortung mittels Votings an eine anonyme Crowd abzuschieben. Hinter der Mitmach-Fassade droht eine pseudo-partizipative Scheindemokratie. Ein Albtraum Partizipation. Wir fordern ein konfliktorientiertes Verständnis von Partizipation. Schluss mit dem modischen cyberdemokratischen Wahn. Auch Entscheidungen gegen die Mehrheit und ohne Beteiligung der allerletzten Schnarchnase können richtig sein – solange jemand die Verantwortung trägt. Wir sollten Partizipation andersherum verstehen. Nicht als ein von oben herab gewährtes Mitmachrecht. Partizipation von unten bedeutet, sich selbst, dem “ungeladenen Außenseiter” Zutritt zu verschaffen.
In einem ersten Teil des Vortrags wird Architekt und Theoretiker Markus Miessen (Studio Miessen, Berlin; Städelschule, Frankfurt; HEAD, Genf; USC, Los Angeles) die Hintergründe seiner Kritik am Partizipationsbegriff eröffnen, dann wird der investigative Wirtschafts-Journalist Hannes Grassegger (Zürich) Überlegungen zum Modell des “Ungeladenen Außenseiters” ausführen. Anschließend folgt eine Diskussion.
Literatur:
zur Vorbereitung:
Berardi, Franco (2009): The soul at work. From alienation to autonomy. Los Angeles, Calif: Semiotext(e) (Foreign agents series). Abschnitt: Cognitive labor in the network, S. 87-90.
Schmidt, Eric; Cohen, Jared: Die Vernetzung der Welt. Ein Blick in unsere Zukunft. Reinbek, 2013. Kapitel 2 (ohne: “Die Krise des Journalismus”), S. 25-53.
ergänzend:
Miessen, Markus; Grassegger, Hannes: Alptraum Partizipation. Zeit online, 26. Juni 2012.
Schwartz, Matthathias: Pre-Occupied.The origins and future of Occupy Wall Street. The New Yorker, 28. November 2011.
Greenfield, Adam (2013): Against the Smart City (The city is here for you to use). Ebook: Kindle Edition.
weiterführende Lektüre:
Benjamin, Walter: Der Autor als Produzent & Das Kunstwerk im Zeitalter technischer Reproduktion.
Bang Larsen, Lars (2005): The populism reader. … on the occasion of the exhibition project \”Populism\”… . New York, Berlin: Lukas & Sternberg.
Burroughs, William S. (2001): Die elektronische Revolution. [1970]. Bonn: Expanded-Media-Editions.
Canetti, Elias (2006): Masse und Macht. [1960] Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch.
Lanier, Jaron (2013): Who owns the future? New York, NY: Simon & Schuster.
Mayer-Schonberger, Viktor; Cukier, Kenneth (2013): Big data. A revolution that will transform how we live work and think. Boston, Mass: Houghton Mifflin Harcourt.
Miessen, Markus; Mouffe, Chantal (2012): The space of agonism. Berlin: Sternberg Press.
Said, Edward W. (1996): Representations of the intellectual. The 1993 Reith lectures. New York: Vintage.
Schmidt, Eric; Cohen, Jared (2013): Die Vernetzung der Welt. Ein Blick in unsere Zukunft. Reinbek: Rowohlt.
Stirner, Max (2008): Der Einzige und sein Eigentum. [1844]. Stuttgart: Reclam.
Turner, Fred (2008): From counterculture to cyberculture. Stewart Brand the Whole Earth Network and the rise of digital utopianism. Chicago, Ill: University of Chicago Press.