Teilprojekt 2

Projektleiterin: Prof. Dr. Beate Ochsner (Universität Konstanz)

Mitarbeiter: Markus Spöhrer
Assoziiert: Robert Stock
Studentische Mitarbeiterin: Julia Kohushölter

Publikationen des Projekts

Zusammenfassung

In der Fortsetzungsphase werden wir unseren sinnestechnologischen Fokus auf Teilhabeprozesse des (Nicht-)Hörens mit dem Cochlea Implantat erweitern und uns auf Sinnesmodalitäten und Teilhabebedingungen zeitgenössischer Apps für seh- und hörbehinderte Menschen konzentrieren. Dabei stehen weniger die in den Disability Studies kritisierten Befähigungs- oder Ermächtigungs-diskurse digitaler Unterstützungstechnologien im Vordergrund, die assistive Apps oder komplexe Dienstleistungssysteme häufig als ‚neutrale‘ Akteure der Normalisierung verstehen. Denn auf diese Weise wird nicht nur eine vorauszusetzende Differenzierung zwischen Behinderung und Nicht-Behinderung erneut eingeschrieben. Ebenso verstellt dies den Blick auf technosituative App-Praktiken, die die Unterscheidung zwischen Teilhabe und Nicht-Teilhabe, Befähigung und Behinderung, zwischen en- und disabled gerade nicht aufrufen, um sie in einem Normalisierungsprozess zu überwinden, sondern sie produktiv thematisieren.

Basierend auf Bachelards Begriff der Phänomenotechnik wollen wir demzufolge Teilhabeprozesse spezifischer App-Assemblagen und Praktiken identifizieren und in ihren Relationen zueinander analysieren, um bestehende Machtverhältnisse und simplifizierende Dichotomisierungen zu dekonstruieren. Mit Haraways partialer Perspektive hinsichtlich heterogener companion-ships ist es unser Ziel, zum einen die komplexen Relationen beobachtbar zu machen, die gleichermaßen Teilhabe und Nicht-Teilhabe in und durchspezifische technosensorische  bzw. soziotechnische Konstellationen hervor-bringen, und zum anderen die Mechanismen, Prozesse und Machtverhältnisse zu beschreiben, die Asymmetrien zwischen agencies bzw. letztendlich unterschiedlichen Akteuren erzeugen. Neben der apriorischen Unterscheidung von ermöglichenden und behindernden Alltagssinnespraktiken mit und durch Apps, haben wir uns bereits in der ersten Förderphase von Ansätzen verabschiedet, die Subjekte gegenüber identifizierbaren Objekten, Anwendungen und Umgebungen oft als autonom und intentional handelnd voraussetzen. Vielmehr gehen wir von einer Verschränkung und Vernetzung von Sinnen, (technischen) Objekten, menschlichen Akteuren, Praktiken und Diskursen/Wissen aus, welche in ihrer reziproken Bedingtheit als nicht unterscheidbar bezeichnet werden können – grundsätzlich werden jegliche beschreibbaren Elemente sowohl als mediatisierend wie auch mediatisiert verstanden.

In unserem ersten Arbeitsbereich werden wir uns den theoretischen Grundlagen einer Theorie technosensorischer Teilhabe widmen. Im zweiten Arbeitsbereich stehen mediale, ethische und soziale Möglichkeiten wie auch Bedingungen von Teilhabe in den Gebräuchen zeitgenössischer assistiver App-Technologien im Fokus. In Arbeitsbereich 3 werden Teilhabekonstellationen von Audio Games untersucht und die phänomenotechnischen Prozesse, die in auditiven Übersetzungen vorwiegend graphischer Spielkonzepte im Gange sind.

Zusammenfassung

Im TP 2 werden Gebrauchsweisen des Cochlea-Implantats untersucht, das als mediale Schnitt- und Umschaltstelle zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren soziokulturelle Teilhabe bzw. Mitsprache verspricht oder verweigert. Im Fokus der Analyse stehen dabei diejenigen Mediationsprozesse, die die Versammlung unterschiedlicher Akteure im Handlungsfeld ermöglichen oder verhindern, wie auch deren Handlungsprogramme, die zwischen Euphorie und Verweigerung, Ansprüchen und Inanspruchnahmen, Teilhabeversprechen und Norm(alis)ierungszwang anzusiedeln sind. So wird das CI weder als Artefakt noch als medizinisches Instrument verstanden, vielmehr basieren die Untersuchungen im TP auf der Überzeugung, dass die Akteure im Handlungsfeld CI in ko-evolutionären Individuationsprozessen hervorgebracht und in wechselseitig wirksamen Adaptationsprozessen eingestellt werden, im Rahmen derer Gebräuche, Handlungsprogramme, diskursive Wissensformationen, etc. mit-geteilt werden. Dabei fungiert das CI als „Kitt“ (Schroer 2008: 386), der die erscheinenden biosozialen Vergemeinschaftungen gleichermaßen trennt wie verbindet und als Quasi-Objekt selbst immer wieder transformier- und (re-)funktionalisierbar bleibt.

Die Untersuchungen im TP gliedern sich in drei Arbeitsbereiche aus, im Rahmen derer die medialen Bedingungen von Gemeinschaftsbildung und -auflösung sowie die von Ex- und Inklusion untersucht werden: Während im AB 1 die Analyse der medialen Bedingungen der Teilhabe/Nicht-Teilhabe an CI-Gemeinschaften im Zentrum steht, werden im AB 2 anhand dokumentarischen Filmmaterials diejenigen audiovisuellen Operationen untersucht, die in gleichem Maße kulturelles Wissen über Hören, Gehörlosigkeit oder CI-Hören verfertigen, wie sie selbst durch diese Praktiken geprägt werden. In AB 3 stehen dann Analysen der ethischen, sozialpolitischen, technik- und wissenschaftsphilosophischen Diskurse um das CI zwischen Therapie oder Enhancement im Mittelpunkt. Auch an dieser Stelle nehmen die subjekt- und gemeinschaftskonstituierenden Medialisierungen von spezifischem Wissen über das CI sowie deren Mobilisierung, Funktionalisierung und Instrumentalisierung eine zentrale Stellung ein, was gleichermaßen bestimmte Ein- und Ausschlussbedingungen reguliert und bedingt.

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