Workshop TP 2

Biokybernetik und Teilhabe
Transformationsprozesse zwischen Mensch und Technik

DFG-Forschergruppe Mediale Teilhabe. Partizipation zwischen Anspruch und Inanspruchnahme
BMBF-Verbundprojekt Anthropofakte. Schnittstelle Mensch

Konstanz, 25.-27.02.2016

Mit einer Keynote von Karin Harrasser, Universität Linz.

Mit Vorträgen von Marie-Luise Angerer, Universität Potsdam, Christoph Asmuth, TU Berlin, Cornelius Borck, IMGWF Lübeck, Christoph Brunner, ZHdK Zürich, Christopher Coenen, KIT Karlsruhe, Martin Dornberg, RKK Freiburg, Daniel Fetzner, Hochschule Offenburg, Nicole C. Karafyllis, Universität Braunschweig, Michaela Ott, Hochschule für Bildende Künste, Hamburg, Erhard Schüttpelz, Universität Siegen, Heiko Stoff, Medizinische Hochschule Hannover.

Teilnahme kostenlos. Anmeldung erbeten unter an robert.stock[at]uni-konstanz.de.

 

Programm

Tagungsbericht auf ZfM

Tagungsbericht auf HSozKult

Workshop – Plakat

Keynote Karin Harrasser _Plakat

 

KONZEPT

Technologien des Digitalen schreiben sich auf besondere Weise in Praktiken der Biomedizin ein, (Massumi 2010), operieren sie doch von Beginn an mit dem Versprechen, einen neuen post- oder transhumanen Menschentypus, einen Cyborg zu kreieren (Haraway 1995a, 1995b; Coenen 2014). In ihrem Versuch, im Rahmen dieser zunehmenden Technologisierung des Bios, einen dritten Weg zwischen biologischem Mechanismus und philosophischem Vitalismus zu erarbeiten und die Auflösung der Grenzen zu markieren, bezeichnet Donna Haraway den Cyborg konsequenterweise als hybride Mensch-Maschine, mithin als Wesen, das auf besondere Weise an der Technik des Digitalen teil hat bzw. jene affiziert. Während Georges Canguilhem in seinem Aufsatz zu Maschinen und Organismen aus dem Jahr 1947 Technik als eine „Art Erweiterung des Lebens, der Vitalität, der Lebenskraft“ (Canguilhem 1992) verankert, die sich erst im Zuge verschiedener Transformationen vom Körper gelöst habe, entwickelt Jean-Luc Nancy die Vorstellung einer Ökotechnie, im Rahmen derer die (Annahme einer) Trennung zwischen Körper und Technik aufgegeben werden müsse (Nancy 2000; vgl. Hörl 2011). Als kultur- und wissensgeschichtlich interessante Entwicklungen ist dabei auch die Stellung von Körperprothesen an der Schnittstelle Mensch-Technik zu diskutieren, eignen sie sich doch in besonderer Weise dazu, die gleichzeitigen und wechselseitigen Prozesse von Technologisierung des Bios und Biologisierung (bzw. Anthropomorphisierung) der Technik zu studieren. Die in solchen Forschungsansätzen thematisierten Verschaltungen zwischen unterschiedlichen Akteuren sind dabei grundlegend partizipatorisch bzw. als Teilhabe zu denken, wie z.B. Marie-Luise Angerer dies an ausgewählten künstlerischen Praktiken oder Michaela Ott an filmischem Material aufzeigen konnten (Ott 2010, Angerer 2007). Für die im Workshop interessierenden wechselseitigen Affizierungsprozesse zwischen Mensch und Technik erweist sich auch die aktuelle Entwicklung von Neuroprothesen im Rahmen einer zunehmenden Digitalisierung und Miniaturisierung von Technik am und im Körper als sehr spannend, weil hier Anpassungsprozesse – im Vergleich zum vorkybernetischen Zeitalter – auf neue Weise transformiert werden. So eröffnet z.B. die erfolgreichste Neuroprothese, das Cochlea-Implantat (CI), ihre medizintechnische Genese sowie die mit ihr verbundenen sozialen Praktiken die Möglichkeit, die zunehmende Vernetzung biotechnischer, kybernetischer und sozialer Akteure zu analysieren und zu beschreiben (Ochsner/Stock 2014). Diese Überlegungen führen nun gerade nicht zu einer Rekapitulation der medizinökonomischen Erfolgsgeschichte der Prothese, vielmehr schreiben sie sich in rezente, medienökologische Untersuchungen zur Relation von Körper bzw. Bios und (Medien-)Technik ein (Hennion 2013; Harrasser 2013, 2009; Schmidgen 2013). Anstatt von einer reinen Rezeptions- oder Transferfunktion auszugehen, werden (Neuro-)Prothesen dabei vielmehr als bio-kybernetische Operatoren begriffen, die Handlungen (ver-)binden, soziale Vergemeinschaftungsprozesse inaugurieren und unterschiedliche Akteure wie Menschen, (Anthropo-)Techniken, Medien und Biofakte rekonfigurieren, während sie gleichzeitig im jeweiligen Handlungsfeld hergestellt werden (Harrasser 2013, 2009; Ochsner 2013; Karafyllis 2003). Als technosensuelle oder -mediale Interfaces (Galloway 2012) vernetzen sich diese Operatoren zunehmend und machen in der kurzschließenden Verschaltung von affektiven und affizierenden Körpern mit neuro- oder nanobiologischen Evidenzen Teilhabe als bestimmungsoffenen, transindividuellen Prozess kenntlich, in dem – so wird im Workshop zu zeigen sein – stets neue Herausforderungen und Entwicklungen, aber auch Zumutungen eine kontinuierliche Rekonfiguration der komplexen sozio-technischen Handlungsfelder notwendig machen.

Literatur

Angerer, Marie-Luise (2013), „Biomediale Schwelle. Medientechnologien und Affekt“, in: Astrid Deuber-Mankowsky/Christoph F. E. Holzhey (Hg.), Situiertes Wissen und regionale Epistemologie. Zur Aktualität Georges Canguilhems und Donna J. Haraways, Wien/Berlin: Turia & Kant, S. 203-223.
— (2007), Vom Begehren nach dem Affekt, Zürich/Berlin: diaphanes.
Canguilhem, Georges (1992), „Machine et organisme“ (1947), in: Ders., La Connaissance de la vie. Paris: Vrin, S. 81-127.
Coenen, Christopher (2014), „transhumanism in emerging technoscience as a challenge for the humanities and technology assessment“, in: Teorija in praksa, 51, 5, S.754-771.
Galloway, Alexander R. (2012), the interface effect. Cambridge [u.a.]: Polity.
Haraway, Donna (1995a), Die Neuerfindung der Natur, Frankfurt a. M.: Campus 1995.
— (1995b) Monströse Versprechen. Die Gender- und Technologie-Essays, Hamburg: Argument.
Harrasser, Karin (2013), „Warum Medien keine Prothesen sind“, in: Dies., Körper 2.0. Über die technische Erweiterbarkeit des Menschen. Bielefeld: transcript, S. 67-75.
— (2009) „Passung durch Rückkopplung. Konzepte der Selbstregulierung in der Prothetik des Ersten Weltkriegs“, in: Stefan Fischer/Erik Maehle/Rüdiger Reischuk (Hg.), Informatik 2009. Im Focus das Leben. Bonn: Gesellschaft für Informatik, S. 788-801.
Hennion, Antoine (2013), „Von einer Soziologie der Mediation zu einer Pragmatik der Attachements“, in: Zeitschrift für Medien und Kulturforschung ZMK, 2, Schwerpunkt: ANT und die Medien, 11-36.
Karafyllis, Nicole (2003), Biofakte. Versuch über den Menschen zwischen Artefakt und Lebewesen, Münster: Mentis.
Nancy, Jean-Luc (2000), Corpus, Paris: Métailié.
Ochsner, Beate/Robert Stock (2014), „Das Hören des Cochlea-Implantats“, in: Jan Friedrich Missfelder und Ludolf Kuchenbuch (Hg.), Historische Anthropologie, Themenheft Sound, 22 (3), 2014, S. 408-425.
— (2013), „Teilhabeprozesse oder: Das Versprechen des Cochlea-Implantats“, in: AugenBlick. Konstanzer Hefte zur Medienwissenschaft 58. Themenheft: Objekte medialer Teilhabe, hg. v. Beate Ochsner/Isabell Otto/Markus Spöhrer, Marburg: Schüren, S. 112-123.
Ott, Michaela (2010), Affizierung. Zu einer ästhetisch-epistemischen Figur, München: edition text + kritik.
Schmidgen, Henning (2013), „Cyborg Vision. Über eine Konfiguration zwischen Historischer Epistemologie, Wissenschaftsforschung und Medienwissenschaft“, in: Astrid Deuber-Mankowsky/Christoph F. E. Holzhey (Hg.), Situiertes Wissen und regionale Epistemologie. Zur Aktualität Georges Canguilhems und Donna J. Haraways, Wien/Berlin: Turia & Kant, S. 51-87.

 

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